Sonntag, 18. Dezember 2011

Kaufrausch - im Ausland

Der Einkaufsexzess im Ausland erreicht bisher unbekannte Höhen. Politiker fordern umgehend Gegenmassnahmen.

Der Ansturm der Schweizer Weihnachts-Einkaufstouristen führt deutsche Grenzstädte an den Rand des Verkehrskollapses. Konstanz am Bodensee erlebte vergangenen Samstag einen Allzeit-Besucherrekord, wie der städtische Wirtschaftsförderer bestätigt. Seit Beginn der Schätzungen im Jahr 2004 besuchten noch nie so viele Leute das Einkaufszentrum und die Stadt. Alle Rekorde brechen auch die Summen, welche Schweizer Shopper im Ausland ausgeben.
Allein im Dezember lassen Einkaufstouristen 400 bis 600 Millionen Franken im Ausland liegen, schätzt Professor Thomas Rudolph von der Universität St. Gallen. Er geht von 2 bis 3 Milliarden Franken aus, welche in diesem Jahr in den Kassen ausländischer Einzelhändler landen.

Einen ersten Vorgeschmack darauf, was diese Entwicklung für die Schweizer Detailhändler bedeutet, geben interne Zahlen der Migros-Genossenschaft Genf.
Während Umsatz der Schweizer Genossenschaft in einer Woche um 8 Prozent fiel, setzten im gleichen Zeitraum die drei französischen Migros-Filialen vor den Toren Genfs über 20 Prozent mehr um. Aufgrund dieser Entwicklung baut die Migros Genf in diesem Jahr 125 Stellen ab.

FDP-Nationalrat Otto Ineichen will deshalb Einkaufen im Ausland unattraktiver machen. Er verlangt als
Sofortmassnahme, das Kontrollpersonal an der Grenze zu erhöhen. Mit einem entsprechenden Vorstoss will der Gründer des Detailhändlers Otto’s Druck aufbauen. «Die Grenzkontrollen müssen verschärft und die Einkaufstouristen besser kontrolliert werden», fordert der Luzerner. Dafür müssten auch Staus an der Grenze hingenommen werden. Andere Massnahmen zum Schutz des grenznahen Gewerbes fordern SP-Nationalrat Hans-Jürg Fehr sowie SVP-Ständerat Hannes Germann, die beide aus Schaffhausen stammen.

Selbst die Migros stimmt in die Kritik an den Grenzkontrollen ein: «Weil die Zollfreigrenzen liberal und die Kontrollen nicht sehr streng sind, haben wir den Agrarfreihandel für Privateinkäufe in der Realität bereits heute – leider in der falschen Richtung», sagt Martin Schläpfer, Leiter der Direktion Wirtschaftspolitik. Die Angst vor Umsatzeinbussen führt in der Ostschweiz derweil zu
Drohungen des Gewerbes gegenüber den SBB. Diese liessen erstmals an vier Samstagen je zehn direkte Extrazüge zwischen St. Gallen und Konstanz fahren, was dem Konstanzer Shopping-Center Lago gemäss eigenen Angaben höhere Besucherfrequenzen bescherte. «Dieses Verhalten wird auf die SBB zurückfallen, wenn sie das nächste Mal von uns Geld will», sagt deshalb Hans Richle, Kantonsrat und Gewerbeverbandspräsident.

Quelle: Der Sonntag 18.12.2011

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