Montag, 19. Dezember 2011

Rund um «Geld und Kauf»

Gemäss Lehrmittel - Kapitel 2

Lohn, Verdienst, Gerechtigkeit
- Wann ist ein Lohn gerecht?
- Wie sind die Lohnverhältnisse hierzulande?

Rolle von Nationalbank und Geschäftsbanken
- Wie ist das Schweizer Bankwesen strukturiert?
- Welches sind Funktionen von Geschäftsbanken im Unterschied zu SNB?

Geldanlagemöglichkeiten
- Unterschied zwischen Zins und Rendite?
- Andre Möglichkeiten der Geldanlage als Säule 3a?

Kaufvertrag
- Was muss ich als Käuferin zwingend wissen?
- Erkläre die unterschiedlichen Kaufverträge anhand des Rücktrittsrechts?

Leasing
- Vor- und Nachteile?
- Was ist Unterschied zu Konsumkredit?

Oekologie und Ethik
- Stelle bekannte Labels vor und benenne Produkte mit Labels?
- Vor- und Nachteile von Labels?

Allgemein
- Weihnachten - Zusammenhang mit Geld, Kauf, Konsumrausch?
- Geiz ist geil (Auslandeinkauf) - gilt das für Alle?

Sonntag, 18. Dezember 2011

Kaufrausch - im Ausland

Der Einkaufsexzess im Ausland erreicht bisher unbekannte Höhen. Politiker fordern umgehend Gegenmassnahmen.

Der Ansturm der Schweizer Weihnachts-Einkaufstouristen führt deutsche Grenzstädte an den Rand des Verkehrskollapses. Konstanz am Bodensee erlebte vergangenen Samstag einen Allzeit-Besucherrekord, wie der städtische Wirtschaftsförderer bestätigt. Seit Beginn der Schätzungen im Jahr 2004 besuchten noch nie so viele Leute das Einkaufszentrum und die Stadt. Alle Rekorde brechen auch die Summen, welche Schweizer Shopper im Ausland ausgeben.
Allein im Dezember lassen Einkaufstouristen 400 bis 600 Millionen Franken im Ausland liegen, schätzt Professor Thomas Rudolph von der Universität St. Gallen. Er geht von 2 bis 3 Milliarden Franken aus, welche in diesem Jahr in den Kassen ausländischer Einzelhändler landen.

Einen ersten Vorgeschmack darauf, was diese Entwicklung für die Schweizer Detailhändler bedeutet, geben interne Zahlen der Migros-Genossenschaft Genf.
Während Umsatz der Schweizer Genossenschaft in einer Woche um 8 Prozent fiel, setzten im gleichen Zeitraum die drei französischen Migros-Filialen vor den Toren Genfs über 20 Prozent mehr um. Aufgrund dieser Entwicklung baut die Migros Genf in diesem Jahr 125 Stellen ab.

FDP-Nationalrat Otto Ineichen will deshalb Einkaufen im Ausland unattraktiver machen. Er verlangt als
Sofortmassnahme, das Kontrollpersonal an der Grenze zu erhöhen. Mit einem entsprechenden Vorstoss will der Gründer des Detailhändlers Otto’s Druck aufbauen. «Die Grenzkontrollen müssen verschärft und die Einkaufstouristen besser kontrolliert werden», fordert der Luzerner. Dafür müssten auch Staus an der Grenze hingenommen werden. Andere Massnahmen zum Schutz des grenznahen Gewerbes fordern SP-Nationalrat Hans-Jürg Fehr sowie SVP-Ständerat Hannes Germann, die beide aus Schaffhausen stammen.

Selbst die Migros stimmt in die Kritik an den Grenzkontrollen ein: «Weil die Zollfreigrenzen liberal und die Kontrollen nicht sehr streng sind, haben wir den Agrarfreihandel für Privateinkäufe in der Realität bereits heute – leider in der falschen Richtung», sagt Martin Schläpfer, Leiter der Direktion Wirtschaftspolitik. Die Angst vor Umsatzeinbussen führt in der Ostschweiz derweil zu
Drohungen des Gewerbes gegenüber den SBB. Diese liessen erstmals an vier Samstagen je zehn direkte Extrazüge zwischen St. Gallen und Konstanz fahren, was dem Konstanzer Shopping-Center Lago gemäss eigenen Angaben höhere Besucherfrequenzen bescherte. «Dieses Verhalten wird auf die SBB zurückfallen, wenn sie das nächste Mal von uns Geld will», sagt deshalb Hans Richle, Kantonsrat und Gewerbeverbandspräsident.

Quelle: Der Sonntag 18.12.2011

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Montag, 12. Dezember 2011

SVP droht mit Opposition

Die SVP verabschiedete am Samstag an der Delegiertenversammlung ein Manifest zu den Bundesratswahlen. Darin gibt sich die Partei kämpferisch und kompromisslos. Ohne einen zweiten Sitz im Bundesrat droht Parteipräsident Toni Brunner mit dem Rückzug in die Opposition.

Pocht auf die «Wiederherstellung der Konkordanz»: Toni Brunner an der Delegiertenversammlung in Chamblon (VD).

Pochte auf die «Wiederherstellung der Konkordanz»: Toni Brunner an der Delegiertenversammlung in Chamblon (VD). - Bild: Keystone

SVP-Parteipräsident Toni Brunner pocht auf die Wiederherstellung der Konkordanz. Sollte dies nicht gelingen, werde die SVP auch über den Gang in die Opposition diskutieren müssen, sagte Brunner am Samstag an der Delegiertenversammlung in Chamblon VD. «Wir werden am nächsten Mittwoch für einen zweiten SVP-Sitz kämpfen. Wenn wir dies nicht erreichen, müssen wir an der nächsten Delegiertenversammlung am 28. Januar über unsere Rolle sprechen,» erklärte Parteipäsident Brunner vor rund 320 Delegierten. Die anderen Parteien hätten es in der Hand, ob sie die SVP in die Regierungsverantwortung einbinden wollten. «Unser Ziel ist, die Konkordanz wiederherzustellen», sagte Brunner. Die SVP habe mit Bundesrat Ueli Maurer und den Kandidaten Hansjörg Walter und Jean- Francois Rime hervorragende Kandidaten.

Die SVP sei bei den letzten Wahlen vom Volk mit Abstand als stärkste Partei gewählt worden, die SP als zweitstärkste, die FDP als drittstärkste und die CVP als viertstärkste. Gerade in Zeiten bevorstehender wirtschaftlicher Turbulenzen sei es im Interesse der Schweiz, dass die vier grössten Parteien in der Regierung vertreten seien. «Wir wollen Verantwortung übernehmen, denn auf die Schweiz werden schwierige Zeiten zukommen», betonte Brunner.

Die SVP wird an ihrer Delegiertenversammlung ein entsprechendes Manifest verabschieden. Darin heisst es, die SVP ziehe eine Regierungsbeteiligung der Opposition vor, sei sie aber nicht mit zwei Mitgliedern in der Kollegialregierung eingebunden, so könne sie die volle Regierungsverantwortung nicht tragen. Brunner schliesst zudem einen Angriff auf den vakanten SP-Bundesratssitz am kommenden Mittwoch nicht aus. Sei die Kandidatur der SVP gegen BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf nicht erfolgreich, sei ein Angriff auf die SP eine Möglichkeit. Zunächst gehe es für die SVP aber um den zweiten Durchgang - die allfällige Wiederwahl von Widmer-Schlumpf. Hier gehe es um die Frage, ob das Parlament die bewährte Konkordanz wieder herstellen oder diese brechen wolle, sagte Brunner.

Werde die Bündnerin gewählt, liege das weitere Vorgehen in der Kompetenz der Fraktion. Es müsse situativ entschieden werden. «Sehr mitentscheidend» sei dabei, ob sich die Parteien im zweiten Durchgang «konkordant» verhielten. Auch die FDP müsse ein Interesse haben an einer angemessenen Vertretung der SVP im Bundesrat. So hätten sich die Partei- und die Fraktionsspitze der FDP auch geäussert. «Da kann es nicht sein, dass viele Exponenten dieser Partei daran mitarbeiten, dass die Konkordanz nicht wieder hergestellt wird», sagte er an die Adresse von FDP-Mitgliedern, die sich für eine Wiederwahl von Widmer-Schlumpf ausgesprochen hatten.

Quellen: Agenturen / Tages-Anzeiger

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Solarskilift geht in Betrieb

Schweiz aktuell vom 01.12.2011

Im bündnerischen Tenna wird zurzeit der erste Solar-Skilift der Welt montiert. Im Winter wird mit dem erzeugten Strom der Lift betrieben, die restliche Zeit liefert die Anlage Energie für 15 Haushaltungen. In den nächsten Tagen gehen Lift und Solaranlage in Betrieb.

Quelle: SF Schweiz aktuell 1. Dezember 2011

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Freitag, 9. Dezember 2011

Hochhaus im Minergie-Standard

Der 126 Meter hohe Prime Tower wurde am 6 Dezember eingeweiht und markiert den vorläufigen Höhepunkt der erfolgreichen Entwicklung von Zürich West und Swiss Prime Site. Für die Öffentlichkeit ist der Gastronomiebereich Clouds in der obersten Etage ab 12. Dezember 2011 zugänglich. Das Gebäude wurde im Minergie-Standart gebaut.

Mit der Einweihung des höchsten Gebäudes der Schweiz findet eines der spannendsten und bekanntesten Hochbauprojekte der Schweiz seinen offiziellen Abschluss. Die Einweihung des 126 Meter hohen Gebäudes beendet eine gut 15-jährige Entwicklung auf dem Maag Areal und symbolisiert den gelungenen Wandel von einem Industriequartier zu einem lebendigen Stadtteil. Swiss Prime Site hat CHF 380 Mio. in den Prime Tower, das Geschäftshaus Platform sowie die Nebengebäude Cubus und Diagonal investiert. Die Realisierung des Prime Tower nach den Plänen von Gigon/Guyer Architekten begann am 18. Februar 2008. Am 19. November 2008 konnte der Grundstein gelegt werden und die feierliche Aufrichte des Prime Tower fand am 7. Juli 2010 statt. Die Arbeitsgemeinschaft Losinger Marazzi AG/Steiner AG brauchte nur 18 Monate, um die 36 Stockwerke hochzuziehen. Der wirtschaftliche Erfolg der Gebäude auf dem Maag-Areal bemisst sich unter anderem an der Vollvermietung, die jährliche Mieteinnahmen von über CHF 29 Mio. generieren wird, und an den bis heute aufgelaufenen Einwertungsgewinnen von über CHF 110 Mio. Die umfassende und wegweisende Nachhaltigkeit des Prime Tower wird durch das internationale Gütesiegel LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) in der anspruchsvollen Zertifizierungsklasse Gold unterstrichen. Das Gebäude entspricht überdies dem MINERGIE-Standard (ZH-5000) und dem Gütesiegel greenproperty, welches wie LEED auch die überdurchschnittliche Qualität des Standorts berücksichtigt.

Auf dem Maag-Areal sind mit den vier neuen Gebäuden rund 3'500 Arbeitsplätze entstanden. Bis 2015 dürften sich die Einwohnerzahl in Zürich West von heute 3'000 auf rund 7'000 und die Zahl der Arbeitsplätze von 20'000 auf 30'000 erhöhen. Mittelfristig ist zudem eine Modernisierung und Erweiterung des Bahnhofs Hardbrücke nach einem Projekt von Gigon/Guyer vorgesehen. Swiss Prime Site plant auf ihrem Grundstück westlich des Prime Tower die Überbauung Maaghof mit über 200 Wohnungen.

Quelle: Minergie / Swiss Prime Site AG - Bild. Guntram Rehsche

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Dienstag, 6. Dezember 2011

Versicherer will EE fördern

Der deutsche Rückversicherer Munich Re hat neue Initiativen für den Klimaschutz gefordert. Jene Länder, die sich bereits Klimaziele gesetzt hätten, sollten gemeinsam eine "Kerngruppe" bilden und mit ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen "vorangehen" - insbesondere mit der massiven Förderung der EE (der Erneuerbaren Energien). "Der Umbau der Energieversorgung von den fossilen zu erneuerbaren Trägern ist die zentrale Aufgabe dieses Jahrhunderts", sagte Torsten Jeworrek, Vorstand bei Munich Re. Damit seien "erhebliche ökonomische Chancen" verbunden.

Die Versicherungsbranche macht Dampf. Ihr ist längst klar, dass jedes Zögern beim Klimaschutz zu unkalkulierbaren Kostensteigerungen in der Zukunft führen wird. (Foto: Extremwetterkongress Hamburg)

Hintergrund des Vorschlags ist die Einschätzung der Munich Re, dass die UN-Klimaverhandlungen in Durban nicht zum Erfolg führen werden. Zwar könnten Fortschritte im zweiten Verhandlungsstrang - bei dem es um Anpassungshilfen für besonders vom Klimawandel betroffene Länder geht - erzielt werden. Das "Menschheitsproblem Erderwärmung" aber sei im Rahmen des von den Vereinten Nationen organisierten Prozesses "offensichtlich" nicht lösbar. "Vielen Ländern scheinen ihre kurzfristigen und spezifischen Interessen ungleich näher zu liegen als diese globale Langfristgefahr", heißt es in einem Papier, das der Konzern anläßlich des Klimagipfels in Durban ins Netz gestellt hat.

Munich Re befasst sich nach eigenen Angaben seit fast vierzig Jahren mit dem Klimawandel und hat die mit über 30.000 Ereignissen weltgrößte Datenbank aufgebaut, die sämtliche Naturkatastrophen auf der Erde dokumentiert. Daraus gehe hervor, dass sich die Zahl der registrierten Schadenereignisse aufgrund von Extremwetter weltweit seit 1980 nahezu verdreifacht hat. "Die Wettermaschine schaltet gewissermaßen einen Gang höher", kommentiert Peter Höppe von der Georisiko-Forschung der Munich Re. Die "heftigsten Auswirkungen der Erderwärmung" stünden uns erst noch bevor.

Quelle: klimaretterinfo.org

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Montag, 5. Dezember 2011

Quiz 3: Risiko / Versicherungen

Die folgenden Fragen sollen individuell und schriftlich beantwortet werden - für einmal ohne Zuhilfenahme des Lehrmittels:
  1. In welche Bereiche lassen sich die landesüblichen Versicherungen einteilen?
  2. Nenne 3 Beispiele für freiwillige Sachversicherungen?
  3. Nenne 3 Beispiele für obligatorische Personenversicherungen?
  4. Wie ist die Vorsorge fürs Alter aufgebaut?
  5. Was ist das so genannte Regressrecht?
  6. Was ist unter Kausalhaftung zu verstehen?
  7. Was leistet eine Rechtsschutzversicherung?
  8. Was ist unter einem Risiko zu verstehen?
  9. Nenne 3 Ernährungsempfehlungen folgernd aus dem Risiko der falschen Ernährung!
  10. Ein persönliches Risiko: Gewalt - nenne 3 Möglichkeiten des Umgangs mit Konflikten!
  11. Es gibt auch gesellschaftliche Risiken - was ist damit gemeint? Nenne 3 Beispiele!

Das Lehrmittel fasst jeweils Lernresultate zusammen - in diesem Falle siehe S. 78

Antworten / Resultate auf Spezialsite «Lösungen»

Lehrmittel: Weiterführende Texte im Lehrmittel «Gesellschaft»:

  • S. 58 - 82 «Risiko und Sicherheit»

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Sonntag, 4. Dezember 2011

Der Triumpf der Stadt

Ökologisch Leben: Triumpf der Stadt

Detroit ist Heimat der drei grossen US-Automarken GM, Ford und Chrysler. Der Volksmund spricht deshalb von Motown, von der Motorenstadt. Weil die Autoindustrie in den Sechzigern sehr gute Löhne zahlte, wurde Motown zum Inbegriff eines unbeschwerten, von Soulmusik geprägten Lebensgefühls.

Heute sieht Detroit aus wie eine Stadt nach einem Krieg. Viele Häuser sind ausgebrannt, die Strassen voller Schlaglöcher und menschenleer. Zwischen 2000 und 2010 hat Detroit ein Viertel seiner Einwohner verloren. Mit verheerenden Folgen: Die Infrastruktur verlotterte, die Schulen wurden immer schlechter. Wer konnte, der flüchtete. Zurück blieben die Ärmsten.

Doch so schnell wird Detroit nicht sterben. In den Ruinen regt sich neues Leben. Die Liegenschaften sind so billig geworden, dass ehemalige Herrschaftsvillen oder Geschäftsgebäude zu Spottpreisen erhältlich sind. Das lockt junge und smarte Geschäftsleute an. Upstarts aus der Technologie- und der Dienstleistungsbranche beginnen, Det­roit wiederzuentdecken, und die Stadtverwaltung unternimmt alles, um diese attraktive Klientel bei der Stange zu halten: Sie legt Parks an, baut Wanderwege entlang des Flusses und schafft Platz für Radwege.

Radwege in Motown – ein eindrückliches Sinnbild für die Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert. Wenn man nicht mehr die Heckflosse des Cadillac oder das Offroad-Monster feiert, sondern das Fahrrad, dann hat sich etwas Grundlegendes verändert. Naturnahes Leben ist heute nicht mehr gleichzusetzen mit dem Engagement eines Bruno Manser, der im Urwald lebte und gegen skrupellose Holzfäller kämpfte. Das neue ökologische Ideal entsteht in der Stadt. Oder wie es der Harvard-Professor Edward Glaeser in seinem Buch «Triumph of the City» ausdrückt: «Städte sind viel geeigneter für einen ökologischen Lebenswandel als das Land. Im Wald zu wohnen ist möglicherweise eine gute Art, die Liebe zur Natur auszudrücken, aber im Betondschungel zu wohnen ist sehr viel ökologischer. Wer die Natur liebt, der lässt sie möglichst in Ruhe.»

Grün leben in der Stadt? Für viele ist das eine groteske Vorstellung. Schliesslich verlief die Entwicklung im letzten Jahrhundert in die entgegengesetzte Richtung. Das Auto hat den Menschen ermöglicht, dem Schmutz, der Gewalt und dem Lärm in den Städten zu entfliehen und auf dem Land ein vermeintliches Idyll einzurichten. Vor allem in den siebziger und achtziger Jahren setzte eine regelrechte Stadtflucht ein, während viele amerikanische Innenstädte sich zu Gewalt- und Drogenhöllen entwickelten. Auch in der Schweiz begann man, von «A-Städten» zu sprechen: von Orten also, die Arme, Alkoholiker und Ausländer beherbergen. Zürich machte sich noch in den neunziger Jahren ernsthafte Sorgen, zur A-Stadt degradiert zu werden, und bangte um gute Steuerzahler und junge Familien.

Heute erleben wir das Gegenteil. Städter empören sich darüber, dass man sich selbst mit einem Jahreseinkommen von 150'000 Franken keine Eigentumswohnung mehr leisten kann oder dass Mietpreise für Durchschnittswohnungen sich über Nacht verdoppeln. Zürich und Genf, aber auch New York, London, Berlin oder Paris leiden unter der Gentrifizierung, unter dem Umstand, dass die «vornehme Gesellschaft» die Stadt wiederentdeckt. Die neuen Reichen strömen in die Städte zurück, fliehen vor verstopften Autobahnen, überfüllten S-Bahnen oder einer hoffnungslos zersiedelten Landschaft der Agglomeration.

Regiert werden die Städte in der Regel von einer Rot-Grün-Variation. Bei den nationalen Wahlen im Oktober waren es erneut Grüne, Grünliberale und Sozialdemokraten, die in der Gunst der Stadtbevölkerung besonders gut abgeschnitten haben. Auch in Sachfragen ist die urbane Bevölkerung deutlich umweltbewusster als das Land: Noch vor dem Unglück von Fukushima sprachen sich die Stadtberner gegen den Bau weiterer Atomkraftwerke aus, während das Land dafür stimmte. Und die Zürcher haben schon vor Jahren einer 2000-Watt-Gesellschaft zugestimmt.

In kleinen Schritten hat sich der urbane Lebensstil in Richtung Grün verändert: Biomärkte von Bauern aus der Umgebung sind in New York genauso angesagt wie in Basel. Die Schrebergärtner, einst Inbegriff verbohrter Kleinbürgerlichkeit, sind zur Speerspitze des Fortschritts geworden. «Urban gardening» lautet das Motto, und jedes Trendmagazin, das etwas auf sich hält, hat diesem Thema schon eine Titelgeschichte gewidmet. Porsche- oder Maserati-Fahrer müssen damit rechnen, mitleidig belächelt zu werden. Punkten kann, wer mit dem Fixie unterwegs ist – dem Puristen-Fahrrad mit nur einem Gang und ohne Bremsen.

Das alles ist weit mehr als ein flüchtiger Trend, der die Städte grün und die Städter ökologisch bewusst werden lässt. Es ist Ausdruck einer demografischen Entwicklung: Sieben Milliarden Menschen leben auf der Erde, bis Mitte dieses Jahrhunderts werden es neun Milliarden sein. Bereits über die Hälfte dieser Menschen lebt in Städten, wobei «Stadt» im herkömmlichen Sinn eine krasse Untertreibung ist. Im Fachjargon spricht man von «Megalopolen», Städten, in denen mehr als zehn Millionen Menschen leben. 1950 gab es zwei solcher Riesenstädte, 1975 waren es drei, 2007 waren es 19 – und 2025 werden es 27 sein.

Megalopolen entstehen vor allem in Asien und Afrika. Sie gelten heute noch als Vorhof zur Hölle. In den Slums leben die Menschen unter unwürdigsten Bedingungen: keine Kanalisation, keine geteerten Strassen, keine Trinkwasserversorgung. Als besonders übles Beispiel gilt Lagos in Nigeria: 24 Millionen Menschen leben in diesem Moloch. Lagos wird bald die grösste Stadt der Welt sein. Nach wie vor strömen Landbewohner in Scharen in die City, denn trotz den katastrophalen Bedingungen ist der Zugang zu sauberem Trinkwasser hier besser als auf dem Land. Selbst die korrupte Regierung Nigerias hat eingesehen, dass die chaotische Entwicklung nicht weitergehen kann. Die grösste Beratungsfirma der Welt, Booz & Co., hat die Entwicklung von Lagos untersucht und kommt zum Schluss: «Die Stadt hat das Abfallwesen signifikant verbessert, hat grüne Inseln angelegt und eine Infrastruktur für Solarenergie gebaut.»

Selbst in den Slums entstehen minimalste Umweltstandards, denn gerade hier ist der demografische Druck am stärksten. Das Siedlungsprogramm der Uno geht davon aus, dass 2050 rund drei Milliarden Menschen in Favelas, Bidonvilles oder Ghettos leben werden. Stadtentwickler, Architekten, Designer und Sozialarbeiter sind daran, Instrumente zu entwickeln, die auch diesen Menschen ein anständiges Leben ermöglichen. Nebst einem funktionierenden Abwassersystem steht das Recycling im Vordergrund. In Nairobi wird mit riesigen, mit Abfall beheizten Gemeinschaftsküchen experimentiert, in Bangladesch werden Schulen auf Fähren eingerichtet, und in Indien werden gar Busse zu rollenden Schulzimmern umgewandelt.

Ob in der Ersten oder in der Dritten Welt – grüne Städte werden zu einer Überlebensfrage der Menschheit. Die Folgen des komplexen Phänomens Klimawandel in den Griff zu bekommen ist zur wichtigsten Herausforderung geworden. Städte spielen dabei eine zentrale Rolle, denn fast 80 Prozent der CO2-Emis­sionen stammen aus dem urbanen Raum. Eine Alternative zum radikalen ökologischen Umbau der Metropolen gibt es nicht. Autoritäre Staaten in Asien nehmen ihn bereits energisch in die Hand. In vielen chinesischen Städten etwa sind nur noch Elektroroller zugelassen. Die Chinesen treiben die Entwicklung des Elektroautos voran und sind auf dem Gebiet der Solarzellenentwicklung bereits Weltmarktleader.

Billig wird der ökologische Umbau nicht. «Neue Studien zeigen, dass die Städte in den nächsten 30 Jahren bis zu 350 Billionen Dollar aufwenden müssen, um die Infrastruktur zu bauen und zu unterhalten – das entspricht rund dem Siebenfachen des aktuellen globalen Bruttosozialprodukts», stellen die Experten von Booz & Co. fest. Laut dem australischen Umweltak­tivisten und ehemaligen Chef von Greenpeace, Paul Gilding, stehen wir vor einem regelrechten Krieg gegen den Klimawandel. «Dazu sind Aufwendungen nötig, wie wir sie nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt haben», sagt er. «Das ist machbar. Die technischen Voraussetzungen und das Kapital sind vorhanden.»

Dank ihrem Wohlstand ist die Schweiz in diesem Krieg eine Grossmacht. Die Messlatte liegt hoch; in Sachen Minergiestandards sind die Schweizer weltweit führend. Und Minergiehäuser werden vor allem in Städten gebaut: Nirgends gibt es mehr davon als im urbanen Kanton Zürich und nirgends im Kanton wiederum mehr als in der Stadt. Selbst ihr neues Wahrzeichen, der Prime Tower in Zürich West, entspricht strengsten Minergie-Richtlinien.

Zugleich gibt es rund 900'000 Einfamilienhäuser in der Schweiz. Lange waren sie der Traum des Mittelstands. Heute ist ihr Glanz am Verblassen, denn Ein-familienhäuser sind Energie- und Landfresser zugleich, selbst wenn sie dem höchsten Minergiestandard genügen. Die graue Energie, also die Energie, die verbraucht wird, um solche Häuser zu bauen und sie mit Strassen und Kanalisation zu erschliessen, ist oft höher als die Energie, die danach eingespart wird. Der Berner Architekt Rolf Schoch wollte es genau wissen und hat eine detaillierte Energierechnung für Einfamilienhäuser durchgeführt. Das Resultat ist niederschmetternd: Selbst ein sogenanntes Kraftwerkhaus, ein freistehendes Einfamilienhaus, das mit modernster Umwelttechnologie mehr Energie erzeugt, als es verbraucht, schneidet in der Ökobilanz schlecht ab. Es braucht pro Quadratmeter und Jahr zehn Liter Heizöl mehr als ein heruntergekommener Bau in der Stadt.

Die Konsequenz liegt für Schoch auf der Hand: «Wir dürfen auf keinen Fall alle Einfamilienhäuser in der Schweiz auf Minergiestandard aufrüsten. Wenn wir die Häuser einzeln sanieren, dann zementieren wir für die nächsten 80 Jahre das schlechte Verhältnis von Wohnraum und verbrauchter Fläche. Gleichzeitig festigen wir das energiefressende Erschliessungssystem, das den Individualverkehr fördert.»

Was der Berner Architekt berechnet, deckt sich mit den Erkenntnissen des Stadtökonomen Edward Glaeser. Er hat in den USA verschiedene Lebensformen auf ihre Ökobilanz untersucht. Sehr schlecht haben dabei vermeintlich ökofreundliche Vorstädte mit Einfamilienhäusern in künstlich angelegten Wäldern abgeschnitten. «Menschen, die in solch schwach besiedelten Ökostädten leben, fahren sehr viel Auto, und sie wollen grosse Häuser, die komfortabel gekühlt und beheizt sind», stellt er fest. «In den Städten hingegen teilen sich die Menschen öffentliche Räume wie Parks, Restaurants, Bars und Museen. Das urbane Modell ist grün, wenn es von realen Menschen bewohnt wird. Das zeigen die Daten, und wir können das auch erklären: Die hohen Bodenpreise in der Stadt schränken den privaten Platzbedarf ein, und die Menschendichte macht den Gebrauch des Autos unattraktiv. Urbane Lebensweise ist deshalb nachhaltige Nachhaltigkeit. Ländliche Ökostädte sind es nicht.»

Moderne Technologie, intelligente Systeme und urbane Lebensformen sind unsere besten Waffen im Kampf gegen die Klimaerwärmung. Singapur gilt dabei als vorbildlich. Die asiatische Metropole entwickelt sich zu einem lebendigen Labor für smarte Strom- und andere Netze. «Singapur ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein starkes Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum bei kluger Steuerung eine Stadt wachsen lassen kann, die nicht nur eine weit entwickelte Wirtschaft hat, sondern auch technisch fortgeschritten, kulturell lebendig und ein angenehmer Ort zum Wohnen ist», sagt Laurence C. Smith, Geologieprofessor an der University of California in Los Angeles und Autor des Buches «Die Welt im Jahr 2050».

Vier Schlüsselfaktoren muss die ökologische Mus­terstadt der Zukunft unter einen Hut bringen: Energie, Wasser, Abfall und Verkehr. Im Idealfall entwickelt sie sich zu einem weitgehend autonomen Ökosystem mit einer CO2-freien Energieproduktion, einem vernetzten öffentlichen Verkehrsnetz, das die Menschen vom Auto weg, hin zum Laufen, Rad- und Tramfahren bringt, einem Abfallsystem, das Recycling an die oberste Stelle setzt, und einer Kanalisation, in der kein Tropfen Wasser ungenutzt versickert. Die Bewohner grüner Städte bepflanzen Dächer nicht nur, um ein paar Tomaten zu ziehen, sondern vor allem, um die Klimaanlage einzusparen. Solarzellen werden dort aufgestellt, wo es sich lohnt. Der holländische Stararchitekt Jacob van Rijs denkt bereits über Schweinezucht-Wolkenkratzer nach, in denen man die Tiere in der Stadt aufzieht, schlachtet und verarbeitet.

Solche Städte werden mit ihrem Einzugsgebiet zu Megaregionen. Verbunden mit umweltfreundlichen Hochleistungszügen, bilden sie das Rückgrat der Weltwirtschaft von morgen. Davon ist der Wirtschaftsgeograph Richard Florida überzeugt. In seinem jüngsten Buch, «Reset», stellt er fest: «Nicht einzelne Staaten, sondern die Megaregio­nen sind der eigentliche Motor der Weltwirtschaft. Die 40 grössten Megaregionen der Welt bringen zusammen zwei Drittel der globalen Wirtschaftsaktivität hervor und 85 Prozent der weltweiten technologischen Innovationen, obwohl dort nur 18 Prozent der Weltbevölkerung leben. Megaregio­nen sind die strategischen Machtzentren der Wirtschaft.»

Schlagwörter wie «Zehn-Millionen-Schweiz» oder «Stadtstaat Schweiz» zeugen von dieser Entwicklung. Politisch stösst sie auf Widerstand; in einer grossen Beobachter-Umfrage im Frühjahr haben sich rund zwei Drittel der Bevölkerung gegen einen Stadtstaat ausgesprochen. Ökonomisch gesehen ist sie aber bereits Tatsache: 84 Prozent der Schweizer Wirtschaftsleistung werden im urbanen Raum erbracht. Die Schweiz ist im Begriff, eine Megaregion zu werden.

Quelle: Beobachter Natur 10/11

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Samstag, 3. Dezember 2011

Schärfere Regeln für CO2?

10vor10 vom 02.12.2011

In der Wintersession diskutiert der Ständerat ein neues CO2-Gesetz. Doch neue Vorschriften für die Wirtschaft kommen bei den Betroffenen zurzeit gar nicht gut an. Auch beim Klimagipfel in Durban sieht es nicht nach neuen schärferen Regeln aus.

Quelle: SF 10 vor 10 2. Dezember 2011

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